Azed
Yu
Frauenfilme mit literarischem Touch: Über die Filme
von Huang Yu-Shan
Die Filmregisseurin Huang
Yu-Shan war meine Lehrerin [am Filminstitut der Universität in Tainan],
und ich schätze und bewundere sie seit langem.* An ihr nehme ich vor
allem die Leidenschaft, Offenheit und Aufrichtigkeit wahr, die sie als
Filmmacherin aufweist. Sie schafft es, die Vielfältigkeit des Leben
einer Frau in 24 Bildern pro Sekunde zu manifestieren. Und sie träumt
ihre Filmträume auf verschiedene Weisen: Narrative Filme wie Herbststurm
[Autumn Tempest], Ein Paar Halsbänder [Twin Bracelets],
Päonienvögel
[Peony Birds], Frühlingskaktus [Spring Cactus], Porträt
des wiederherstellenden Lichts [Porträt of Restoring Light]
oder Dokumentarfilme wie Der Sturmvogel kehrt zurück
[The Petrel Returns], Zhang Qinggao und Zhang Fengliang [Chiang
Ching Kao & Chiang Fong Liang], Siu Shih-sian: Die erste Bürgermeisterin
in Taiwan und Siou Ze-lan: Die erste Architektin in Taiwan
zeigen
sie allesamt als energische Arbeiterin in ihrem Metier. Lasst mich jetzt
das Konzept „Frau“ in Worten herauskristallisieren, aber lasst die Bilder
für sich sprechen.
Huang Yu-Shan
Schreiben von Bildern mit literarischem
Touch
Huang kann gekonnt einem literarischen
Script folgen, um davon ausgehend ihre Bilder in einem narrativen Film
zu arrangieren. Bilder, die durchdrungen sind von Symbolik, werden ein
dominantes Motiv ihrer Filme, welche entsprechend betitelt sind. Paare
von Päonienvögeln symbolisieren Vögel der Liebe; der Wind
in Herbststurm dient als Metapher für eine im steten
Wandel befindliche Gesellschaft und für komplizierte romantische Gefühle.
Ein
Paar Halsbänder sind ein Zeichen der Schwesterschaft. Am Schluß
von Herbststurm wird der verwirrte, von Liebe zerrissene
junge Mann in einem Wirbel in die Luft gerissen. Das symbolisiert eine
fragwürdige Beziehung, welche unter dem Fluch eines Gewebes aus religiösen
und sozialen Konventionen leidet. In Päonienvögel
hat Shu-cin in ihrem Koma Visionen ihres Vaters und sieht, wie ihre Mutter
ihre Selbstporträts vor ihres Vaters Grab verbrennt. Ihr hilfloses
Gesicht und das Selbstporträt überlappen sich.
Illustration der Frau
In ihren Filmen illustriert
Huang gern die weibliche Erforschung erotischer Gefühle in der
Tiefe der Seele. Die Frau beginnt, sich um sich selbst zu kümmern,
indem sie auf die Bedürfnisse ihres Körpers hört. In Herbststurm
sieht Su-bi in den Spiegel und berührt sich selbst, während
sie duscht. Dies symbolisiert ihren Wunsch oder ist ein ‚Ventil’ für
ihre Bedürfnisse. In Päonienvögel läßt
sich Shu-cin die Haare kurz schneiden, was ihr Freund als Ausdruck ihres
wahren Selbst sieht. Durch ihr zurückgeworfenes Abbild im Spiegel
hört die Frau die Bedürfnisse ihres Körpers.
Das ist ein wichtiges Motiv in
den Filmerzählungen von Huang.
Frauen erhalten ihre Würde
zurück durch Huang dank der Kraft ihrer Bilder. Sie wendet sich gegen
das Patriarchat und unterstreicht die unfaire Behandlung, die Frauen erfuhren.
In Herbststurm muß Su-bi am Ende eine Abtreibung haben
und weigert sich anschließend, zu ihrem egozentrischen Ehemann zurückzukehren.
In Ein Paar Halsbänder nimmt sich Hui-hua schließlich
das Leben, Ausdruck ihres heftigen Protests gegen die Ablehnung, die sie
aufgrund eines patriarchalischen Wertesystems erfährt.
Siao-lan, in Frühlingskaktus, kämpft tapfer für
sich selbst, aber unglücklicherweise wird sie eine geopferte Frau
in der Porno-Industrie.
Siao-lan, in "Frühlingskaktus"
In Huangs Filmen sind es normalerweise
ältere Frauen, welche helfen, das Patriarchat zu stützen. Sie
erziehen ihre Kinder so, daß diese gehorsam sein und die Dinge, wie
sie sind, akzeptieren sollen. Die Haushälterin, in Herbststurm,
die für die Küche verantwortlich ist, neckt und kritisiert Frauen,
die nicht die erwarteten Tugenden praktizieren. Die Mutter, in Ein
Paar Halsbänder, lehrt ihre Mädchen, sich aufzuopfern
und dem Mann zu gehorchen. Sie gibt sogar das [als zukünftige Mitgift
gedachte] Brautgeld ihrer Tochter weg, um dem Sohn zu ermöglichen,
seinen sweetheart zu heiraten. A-Chan-jiuans Mutter, in Päonienvögel,
trifft die Wahl, lieber ihrer Tochter Zukunft zu opfern, um Schulden zurück
zu zahlen. Die Stiefmutter, in Frühlingskaktus, verachtet
Siao-lan wegen ihres „Berufs“.
Diejenigen, welche das Patriarchat
konsolidieren, sind also nicht notwendigerweise Männer, sondern Mütter
und ältere Frauen.
„Die arbeitende Frau“ ist ein durchgängiges
Thema aller ihrer Filme, Zum Beispiel baut Su-bi in Herbststurm fast
pausenlos Gemüse an. In Ein Paar Halsbänder
tauchen die Frauen des Dorfs ständig nach Perlen oder sie arbeiten
in der Küche. In Päonienvögel hören A-Chan-jiuan
und Shu-cin nie auf, zu arbeiten. Die weiblichen Charaktere in Huangs Filmen
sind immer ruhelos aktiv für ihre Familien, ihre Karriere, den Job,
und die Kinder.
Ein anderes Thema ist die Unterdrückung
des Wunsches durch die Religion, durch Geister und Götter. In Herbststurm
fühlen sich der Held und die Heldin an einem Ort von einander angezogen,
wo Buddhastatuen immerfort in Sicht sind. Diese Statuen symbolisieren die
seit langem existierende Einkerkerung und Knechtschaft, welche das gesellschaftliche
Wertesystem bewirkt. Su-bi kann ihre Gefühle nicht zeigen unter dem
Blick Buddhas. In Ein Paar Halsbänder schwören
Hui-hua und Siou-gu sich im Angesicht der Göttin der Kindsgeburt,
die ihre tiefe Liebe zueinander sieht, für immer Schwestern zu sein.
Der Padre in Spring Cactus symbolisiert einen Gott und Heiland
auf Erden. Religiöser Glauben ist das einzige, was Siao-lan Frieden
bringt.
Huang benutzt Bilder und Symbole
verschiedener Stile ganz frei, um die innere Welt der Frau offen zu legen,
was die Gefühle ihrer weiblichen Charaktere tiefer und subtiler sein
lässt. In ihren Dokumentarfilmen wählt sie, aus verschiedenen
Perspektiven, die Haltung des Humanismus und zeigt ihre Betroffenheit angesichts
politischer und geschichtlicher Ereignisse, wobei sie für die Rechte
der Frau eintritt.
Eine Reihe von Huangs Arbeiten werden
dieses Jahr auf dem Kaohsiung Film Festival gezeigt werden, was wirklich
eine rare Gelegenheit ist. Kehren wir also zur Welt der Bilder zurück
und gönnen uns Filme, um Taiwans Frauenfilme zu erleben: Filme von
Huang Yu-shan.
(Aus dem Englischen übersetzt von Andreas Weiland)
* Die Filmregisseurin Huang Yushan ist Associate Professor am Graduate
Institute of Sound and Image Studies der Tainan National University of
the Arts in Tainan, Südtaiwan, China. Azed Yu leitet das Frauen Film
Festival (Taiwan Women’s Film Festival) in Taipei (Nordtaiwan), das in
Ostasien ein wichtiges Forum für chinesische sowie ausländische
Filme von Frauen bzw. über Frauen darstellt.
Dieser Text erschien ursprünglich im Programm & Katalog des
Kaohsiung Film Festivals 2005.
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