Jürgen Link
 

Für eine Kulturwissenschaft,
die Kulturrevolution kennt
 

Vortrag
 
 
 
 
 

Zu der XXV. Veranstaltung der Reihe
Personen Projekte Perspektiven
Samstag, den 19. Juli 2003 um 20 Uhr
laden wie Sie und Ihre Freunde herzlich ein
 
 
 
 
 
 

in das Atelierhaus
Alte Schule
Äbtissinsteig 6
Essen - Steele









 

 
Für eine Kulturwissenschaft, die Kulturrevolution kennt

Während sich sowojl "in Übersee" wie "zuhause" die Ereignisse überstürzen, die den Beginn des 21. Jahrhunderts zum tiefsten historischen Einschnitt seit 1945 machen könnten, geht die Enthistorisierung des öffentlichen und privaten Bewußtseins lustig weiter. Während man uns droht mit "Schluß mit lustig", boomt allein die geschichtsvergessene Spaßgesellschaft weiter. Welche Rolle spielt in diesem Kontext die "kulturwissenschaftliche Wende"? Ob unter
"kulturwissenschaftlicher Erweiterung" und "cultural studies" eher die Erweiterung um Pop und Spaßmedien verstanden wird oder eher die ethnographische Erweiterung - auch hier sieht es so aus, als ob die Enthistorisierung längst gesiegt hätte und als ob die Berücksichtigung sozialer Konflikte hoffnungslos "alt aussähe". Jedenfalls ist allen gängigen Paradigmen von Kulturwissenschaft gemeinsam, daß sie so etwas wie Kulturrevolution nicht kennen.

Als Alternative zu diesem status quo soll hier ein diskurstheoretisches Konzept von Kulturwissenschaft vorgeschlagen werden, bei dem "kultur" als die Gesamtheit der Interdiskurse aufgefaßt wird. "Interdiskurse" sind solche Diskurse, die nicht bloß von Experten verstanden werden können. Bekannte Beispiele: Populärwissenschaft, Populärphilosophie, Medienwissen - und eben Literatur und Kunst. In Interdiskursen werden ganz verschiedene Spielarten von Wissen (z.B. etwas Biologie, etwas Wirtschaft, etwas Technik...) allgemeinverständlich vereinigt. Man kann es sich am Beispiel Internet verdeutlichen, wo ebenfalls Wissen der verschiedensten Arten zusammengebracht wird - nur daß Interdiskurse wirklich integrieren und nicht bloß aufhäufen.

Also geht die Enthistorisierung aufs Konto unserer Interdiskurse, vor allem unserer Mediendiskurse. Also heißt "Kulturrevolution" nichts anderes als: andere, alternative Interdiskurse, die allgemeinverständliches Wissen anders auswählen und anders integrieren. 

Konkret geht es also um den enthistorisierenden Effekt der aktuell dominanten Interdiskurse Mediounterhaltung und Mediopolitik, die die Opfer der "Reformen" in die beispiellose Ohnmacht eines geschichtsvergessenen Bewußtsein bugsieren. Diese Opfer der "Reformen" sind keineswegs einverstanden, aber sprachlos, konkret: diskurslos.
Das wird am konkreten Beispiel der "Bildzeitung" illustriert.
Am Schluß wird gefragt: Wie könnten denn kulturrevolutionäre Fluchtlinien aussehen, die in ein "neues historisches Bewußtsein" münden könnten, wodurch wir den unerhörten Moment "2001 plus x" begreifen lernen und auf seine Höhe kommen könnten? Auf der Basis einer gezielt anachronistischen Lektüre von Hölderlins Fragment "Das nächste Beste" wird angeregt, "historisch-operative Simulationen im prognostischen Nahbereich" auszuprobieren.
Es gibt auch ein konkretes Beispiel.
 

Jürgen Link, Professor für Literaturwissenschaft (und Diskurstheorie) an der Universität Dortmund. Schwerpunkte: struktural-funktionale Interdiskurstheorie; Kollektivsymbolik; Normalismustheorie; literarhistorisch: Lyrik; Hölderlin und die 'andere Klassik'; Brecht und die 'klassische Moderne'. Einige Publikationen: Literaturwissenschaftliche Grundbegriffe, München (Fink) 1983; (mit Wulf Wülfing Hrsg.) Nationale Mythen und Symbole, Stuttgart (Klett-Cotta) 1991; Versuch über den Normalismus, Opladen (Westdeutscher Verlag) 1996, 2. Auflage 1999; Hölderlin-Rousseau: Inventive Rückkehr, Opladen (Westdeutscher Verlag) 1999; (Mitherausgeber): kulturRRevolution - zeitschrift für angewandte diskurstheorie, Essen (Klartext Verlag) 1982ff.; Mitbegründer der Diskurswerkstatt Bochum (1980ff.)

 

Doris Schöttler-Boll   Atelierhaus - Alte Schule - Äbtissinsteig 6   45276 Essen-Steele
Tel+Fax 0201/515592   e-mail <Doris.Schoettler-Boll@freenet.de>
KUNSTRAUM e.V.

Wir danken dem Kulturbüro und der Sparkasse Essen
für die freundliche Unterstützung dieser Veranstaltungsreihe


 
 

                                                                                        Siehe auch:     20 Jahre kultuRRevolution